Eine
Zeile mit Touristenläden liegt am Weg bergab, und die Inhaber harren meiner. Es
gibt wunderschöne Sachen, teils billiger Kitsch, teils hochwertiges Kunsthandwerk
(Seide! Hier gibt es Seidenherstellung, die in den 90er Jahren kaputtging und
jetzt wieder stabil ist). Ich überlege, ob meine Töchter sich über ein echtes
aserbaidschanisches Seidentuch als
Mitbrinsel freuen würden. Auch hier erkläre ich, daß ich Postkarten
suche. Jemand versteht, was ich meine, und schickt mich zu einer kleinen
Poststelle. Der Angestellte ist über 60 und spricht etwas Englisch! Statt Postkarten hat er Fotoabzüge einiger Şəki -Motive, und er klebt eifrig mit Klebestift die passenden Briefmarken auf jede Fotorückseite. Nun gehe ich weiter hinunter in die Stadt und setze mich in einem kleinen Park auf eine Bank. Drei alte Herren sind sehr intereessiert daran, was ich mache: Ich bin ein Tourist aus Deutschland und schreibe Ansichtskarten als Urlaubsgruß in die Heimat. Sie geben mir ein Stück Karton als Sitzunterlage. Einer holt ein uraltes Heft aus einer Tasche, darin gibt es eine kyrillisch beschriftete Landkarte von Deutschland mit GDR und BRD. Ich zeige auf Berlin (Arbeit), Zwickau (Familie) und Koblenz (Eltern). Alle sind gutgelaunt und ansteckend freundlich. Ich gebe die Postkarten beim Postamt ab und begebe mich auf den Weg nach dem Bahnhof, der gut 15 km stadtauswärts liegt. Nach etwa der Hälfte der Strecke nimmt mich ein Taxi mit. Darin eine köstlich alberne Runde dreier angeheiterter alter Männer mit abgewetzten Sakkos und einigen Goldzähnen. Zu der traditionellen aserbaidschanischen Zurna-Musik aus dem Radio entwickeln sie riesige Energie und tanzen mit erhobenen Armen und schwingenden Hüften, soweit das sitzend in einem vollbesetzten Lada möglich ist. Zurna heißt das durchdringend und orientalisch klingende flötenähnliche Instrument. Fahrpreis 1 Manat. Ich werde an der Fernstraße nahe der Bahnlinie abgesetzt, in der Nähe eines Restaurants und weniger vereinzelter Häuser. Laufe weiter in die Richtung, in der ich den Bahnhof vermute.
Weite Landschaft, entlang der Bahnschienen gibt es marode
Sowjetbauten ohne Funktion. Zu guter Letzt taucht doch noch ein stattliches
Bahnhofsgebäude auf. Ich bin gerettet und kaufe am Schalter ein Ticket nach
Baku. Es gibt noch einen Platz im 4er-Schlafabteil für 9 Manat. Es dämmert
bereits, ich habe noch zwei Stunden Zeit, bis der Zug kommt. Ich laufe in
Richtung des Restaurants, kehre aber schon bald wieder um, weil ich nicht im
Dunkeln zurücklaufen möchte (Hunde!).
Am Bahnhof gibt es nicht viel zu sehen.
Eine Lok steht rum, ein Lokführer steigt ein, ruft „Dawai!“ und startet
den rumpelnden Dieselmotor, um ihn nach einer Weile wieder auszuschalten. Eine
riesige Heuschrecke landet klatschend auf meinem Bein und ich kriege einen
riesigen Heuschreckenschreck.
15 Minuten vor Ankunft des Zuges kommt plötzlich Leben in
den Bahnhof, ein paar Leute bauen einen provisorischen Verkaufsstand mit Essen
und Getränken auf.
Im
Abteil treffe ich auf eine Runde von 3 Männern, 3-5 Jahre älter als ich. Es sind Ölarbeiter, die ihre freien Tage bei den Familien verbracht haben und jetzt wieder zu ihrer zehntägigen Arbeitsschicht fahren. Einer ist Baggerfahrer aus Kamtschatka und arbeitet dort nur im Sommer, weil im Winter der Boden gefroren ist. Wir
trinken viel heißen Tee, den die Schaffnerin serviert, und unterhalten uns. Gute Laune. Ich
schlafe trotz Ohropax nicht gut, weil sich die ganze Nacht lang viele Leute laut unterhalten in dem
Schlafwagen.
Sonntag, 28. September 2014
Kurz vor Baku steige ich aus, um per Bus weiter nach Süden Richtung Qobustan zu gelangen. Allerdings gab es wohl ein Mißverständnis, denn nach einer Weile Fahrt durch städtische Gegenden stelle ich fest: Wir sind in Baku angekommen, das hier ist der Busbahnhof „20. Januar“. Auch gut, es ist früher Morgen. Der Zug, aus dem ich ausgestiegen bin, fährt so langsam, daß er erst in 40 Minuten den Bahnhof von Baku erreichen wird. Ich suche lange, bis ich einen Bus finde, der zwar nicht nach Qobustan fährt, aber wenigstens in Richtung Süden, wo ich dann in einen anderen Bus umsteigen kann. Die Fahrt geht entlang des Kaspischen Meers mit dem Kontrast aus schönen naturbelassenen Küstenlandschaften (Vögel!) und riesigen Ölbohrinseln, Hafen- und Industrieanlagen. Gegen 9 Uhr bin ich in Qobustan. Es ist wolkig und hat einige Regenschauer gegeben. Sofort stehen 2 Taxifahrer bereit und erkennen mich als Schlammvulkan-Touristen. Einer bietet sich an für eine Tour dorthin, sagt aber, daß es bei dem Regenwetter schwierig werden kann. Ich weiß von der Landkarte, daß ich zu Fuß unmöglich dorthinkommen werde. Der Taxifahrer ist Mitte 50 und heißt Tarlan. Er fährt mit seinem zuverlässigen Lada oft und gerne mit Touristen zu den Schlammvulkanen und spricht sogar ein paar Worte Englisch. Vorher zieht er mich noch in einen kleinen Laden, in dem ich für 5 Manat ein Paar Gummistiefel kaufen muß. Ich hätte es sonst mit meinen Badelatschen probiert. Das ist keine Touristenabzocke, sondern wirklich nötig, wie ich nachher feststellen werde. Wir biegen auf einen Feldweg ab, hier ist es schon sehr schlammig und rutschig. Der Lada „schwimmt“ über den Schlamm. Das Wetter bleibt wolkig. Wir unterhalten uns über dies und das, deuten nach oben und freuen uns, daß Allah es für uns nicht regnen läßt. Tarlan fährt hochkonzentriert, ist mit seinem Lada wie zu einer Einheit verwachsen. Das letzte Stück geht es auf einer glitschigen Schlammpiste einen steilen Hügel hoch, oben angekommen lacht Tarlan stolz: „Tarlan and Superlada“.
Kurz vor Baku steige ich aus, um per Bus weiter nach Süden Richtung Qobustan zu gelangen. Allerdings gab es wohl ein Mißverständnis, denn nach einer Weile Fahrt durch städtische Gegenden stelle ich fest: Wir sind in Baku angekommen, das hier ist der Busbahnhof „20. Januar“. Auch gut, es ist früher Morgen. Der Zug, aus dem ich ausgestiegen bin, fährt so langsam, daß er erst in 40 Minuten den Bahnhof von Baku erreichen wird. Ich suche lange, bis ich einen Bus finde, der zwar nicht nach Qobustan fährt, aber wenigstens in Richtung Süden, wo ich dann in einen anderen Bus umsteigen kann. Die Fahrt geht entlang des Kaspischen Meers mit dem Kontrast aus schönen naturbelassenen Küstenlandschaften (Vögel!) und riesigen Ölbohrinseln, Hafen- und Industrieanlagen. Gegen 9 Uhr bin ich in Qobustan. Es ist wolkig und hat einige Regenschauer gegeben. Sofort stehen 2 Taxifahrer bereit und erkennen mich als Schlammvulkan-Touristen. Einer bietet sich an für eine Tour dorthin, sagt aber, daß es bei dem Regenwetter schwierig werden kann. Ich weiß von der Landkarte, daß ich zu Fuß unmöglich dorthinkommen werde. Der Taxifahrer ist Mitte 50 und heißt Tarlan. Er fährt mit seinem zuverlässigen Lada oft und gerne mit Touristen zu den Schlammvulkanen und spricht sogar ein paar Worte Englisch. Vorher zieht er mich noch in einen kleinen Laden, in dem ich für 5 Manat ein Paar Gummistiefel kaufen muß. Ich hätte es sonst mit meinen Badelatschen probiert. Das ist keine Touristenabzocke, sondern wirklich nötig, wie ich nachher feststellen werde. Wir biegen auf einen Feldweg ab, hier ist es schon sehr schlammig und rutschig. Der Lada „schwimmt“ über den Schlamm. Das Wetter bleibt wolkig. Wir unterhalten uns über dies und das, deuten nach oben und freuen uns, daß Allah es für uns nicht regnen läßt. Tarlan fährt hochkonzentriert, ist mit seinem Lada wie zu einer Einheit verwachsen. Das letzte Stück geht es auf einer glitschigen Schlammpiste einen steilen Hügel hoch, oben angekommen lacht Tarlan stolz: „Tarlan and Superlada“.
Die Schlammvulkane sind ein ganz ungewöhnliches Erlebnis.
Mit Vulkanismus haben sie nichts zu tun. Eine bestimmte Konstellation aus
unterirdischen Gasvorkommen und sehr feinem Tonboden führt dazu, daß das Erdgas
nach oben entweicht und im Laufe der Jahrtausende kegelförmige Schlammhügel
aufschüttet, die wenige Zentimeter bis mehrere hundert Meter hoch sein können.
Hier gibt es auf einem Schlammberg ein Plateau, auf dem ein paar Dutzend
Schlammvulkane vor sich hinblubbern. Das Geräusch erinnert an Donald Duck und
klingt geradezu albern. Der Schlamm ist so fein, daß man eher rutscht als
läuft. In Verbindung mit einer großen Stille, die ich in Aserbaidschan noch gar
nicht erlebt hatte, herrscht eine ganz
besondere Atmosphäre.
Die Gummistiefel wieder gegen meine Schuhe zu tauschen und dabei
den Lada nicht zu verschmutzen, dauert lange. Dann fahren wir zu den berühmten Felszeichnungen
von Qobustan. Das nagelneue Museum hier ist sehr unterhaltsam und
anschaulich gemacht. Die Ausstattung ist modern, luxuriös und vom Feinsten.
Das Museum und die Felszeichnungen besichtige ich nur kurz und im Eiltempo.
Hierfür kann man einen ganzen Tag einplanen.
Ich
fahre mit dem Bus bis an den Stadtrand von Baku. Dort biege ich in ein altes,
armes Stadtviertel ab, wo Ölpumpen mitten zwischen den Wohnhäusern stehen. Hier
ist noch ein Rest Alt-Baku vorhanden, nur wenige Meter entfernt wälzt sich
schon erbarmungslos die Baustelle des Neu-Baku heran. Mit großzügig
dimensionierten, repräsentativen Gebäuden.
An einem schmalen Imbiß in einer unbefestigten Nebenstraße
esse ich etwas. Vor dem Verkaufsfenster sonnen sich zwei Katzen und
lassen sich von den Menschen nicht stören. Ich steige über sie drüber.
Katzenparadies
Auch in Aserbaidschan gibt es viele Streunerkatzen. Die sind aber gar nicht scheu. Mitten in der Stadt sitzen sie am Gehsteig und lassen sich von den Menschen nicht stören. Bleibt man stehen, kommen sie heran, streichen einem um die Beine und miauen vielleicht sogar in der Hoffnung auf Futter. Die scheuste Katze, die ich erlebt habe, trottete ganz gemächlich davon, als ich mich ihr bis auf 2 Meter genähert hatte. Offensichtlich tun die Menschen hier den Katzen nichts Böses. In Baku sah ich sogar ein gutgekleidetes junges Paar, das am Straßenrand einer ganz jungen Streunerkatze mit einer Milchflasche irgendetwas einflößte! In einer Gaststätte (Biergarten) in Zaqatala schubste ein alter Mann eine Katze ganz vorsichtig mit dem Fuß weg, weil sie um Essen bettelte, und sie ging woanders hin. Am Bahnhof von Baku stellt eine alte Frau den Katzen geöffnete Konservendosen hin.
Dann
geht es weiter zur großen Fahne. Die ist 35 x 70 Meter groß und weht an einem
162 m hohen Flaggenmast. Vor Kurzem hat Tadschikistan einen um wenige Meter
höheren Flaggenmast eingeweiht, aber die Fahne dort ist kleiner. Dies hier
ist jedenfalls auf irgendeine Weise die größte Fahne der Welt, ein Prestigeobjekt, auf das der Präsident und sein Land sehr stolz sind. Der Fahnenmast ist für das
Publikum abgesperrt, und als ich ein Foto machen will, erscheint sofort ein
Uniformierter und verbietet mir das Fotografieren. Ich bin brav und lasse es
bleiben. Innerlich muß ich grinsen, denn einen 162 Meter hohen Mast kann man
auch mit dem strengsten Fotografierverbot
nicht ganz geheim halten.
Entlang des Meeres führt der riesige Fußgängerboulevard an der Bucht von
Baku entlang, wie alles Neue ist er groß und sauber. Und überdimensioniert. Die
10spurige Straße kann man zu Fuß durch Tunnel unterqueren, die sind aber in
viel zu großen Abständen zueinander und nicht an den sinnvollsten Stellen. Und
obwohl neu, keineswegs rollstuhlgeeignet. Möglicherweise hat man hier auch eher ein Auto als einen Rollstuhl. Das hier sieht alles sehr schick aus,
aber es hat jemand geplant, der nicht oft zu Fuß unterwegs ist.
Ich begebe mich zum Hotel, das ist in einem der neueren
Häuserblocks. Mit Blick auf einen alten, noch nicht abgerissenen. Hier in
der Gegend nördlich des Bahnhofs ist der Stadtumbau in vollem Gange: Immer ein
Straßenkarree wird komplett abgerissen und durch hohe, moderne Bauten oder gar
Wolkenkratzer ersetzt. Ich fühle mich an den Film „Mein Onkel“ von Jacques Tati
erinnert, der exakt denselben Kontrast wunderschön am Paris der 1950er Jahre
dargestellt hat. Am Abend mache ich noch einen Spaziergang durch die Umgebung
des Hotels, wo es noch viele „alte“ Häuser
gibt. Die sind teilweise ziemlich heruntergekommen, viele von ihnen erscheinen mir jedoch lebendig, die
„neuen“ sind irgendwie tot. Ich verabrede mich mit Orxan für morgen nachmittag zu
einem Besuch in seiner Universität und gehe früh schlafen. Mit Ohropax, weil ich ja aufstehen kann, wann
ich will.
Montag, 29. September 2014
Heute ist mein letzter Tag in Aserbaidschan. Morgen früh um 5.30 Uhr geht mein Flugzeug zurück nach Budapest, also werde ich mich am späten Abend zum Flughafen begeben. Ich verbringe viel Zeit mit ziemlich planlosem Herumlaufen. Ich atme die widersprüchliche Atmosphäre dieser Stadt ein. Sämtliche gewachsenen Strukturen werden abgerissen, um eine glitzernde neue Stadt zu errichten, die mir so erscheint, wie ich mir etwa Dubai vorstelle.
Heute ist mein letzter Tag in Aserbaidschan. Morgen früh um 5.30 Uhr geht mein Flugzeug zurück nach Budapest, also werde ich mich am späten Abend zum Flughafen begeben. Ich verbringe viel Zeit mit ziemlich planlosem Herumlaufen. Ich atme die widersprüchliche Atmosphäre dieser Stadt ein. Sämtliche gewachsenen Strukturen werden abgerissen, um eine glitzernde neue Stadt zu errichten, die mir so erscheint, wie ich mir etwa Dubai vorstelle.
Außerdem
ist der Autoverkehr ein einziges Chaos, und im Gegensatz zu Südeuropa oder der
Karibik gibt es hier auch keine Rücksichtnahme, sondern nur den gnadenlosen
Egoismus der Autofahrer. Also jeder gegen jeden statt miteinander gegen das
Chaos. Wenn mal wieder auf mehreren hundert Metern der Verkehr komplett
stehenbeibt und gar nicht mehr weiterfließt, fangen die Autofahrer an, kräftig
zu hupen. Als ob das helfen könnte!!!
Überall entdecke ich
lauter interessante Kleinigkeiten, z.B. eine Autowaschanlage mit großem Schild
„AVTO HAMAM“. Orxan wird mir nachher erklären, dass das nicht ganz ernst
gemeint ist und auf guten Humor des Besitzers deuten lässt. Es ist schönes
Sommerwetter. Nachmittags treffe ich mich mit Orxan, er zeigt und erklärt mir
einige Gebäude. Der Personenkult um den verstorbenen Präsidenten Heydar Aliyev
äußert sich hier in einer sehr großen Statue mit erhobener Hand, in einer sowjetisch
anmutenden Formensprache. Originell: In Aliyevs Rücken befindet sich der große
Präsidentenpalast, und in der Richtung, in die er seine Hand hebt, steht er
direkt dem Hochhaus der aserbaidschanischen Zentralbank mit der
goldverspiegelten Fensterfront gegenüber.
In der Slawistischen Universität Baku ist eine vom DAAD
organisierte Studentin aus München die Leiterin des Deutschkurses. Sie studiert
Deutsch als Fremdsprache, hat hier ein Auslandspraktikum für 1 Jahr und ist
erst seit ein paar Wochen hier. Sie ist engagiert und macht einen ziemlich
anspruchsvollen Unterricht. Ich darf teilnehmen, werde kurz vorgestellt und
halte mich dann eher im Hintergrund. Die Studenten sprechen miteinander
Russisch. Ich habe in Aserbaidschan noch nirgendwo so viele Frauen gesehen wie
in dieser Uni. Es ist eine männerdominierte Gesellschaft, mit Frauen kommt man
kaum in Kontakt. Hier in der Uni sind die Studentinnen eindeutig in der
Überzahl.
Danach zeigt mir Orxan noch die Erlöserkirche. Draußen
wartet ein freundlicher Mann, der zu Scherzen aufgelegt ist. Er hat den
Schlüssel zur Kirche, freut sich über den Besuch aus Deutschland und fragt ,
ob ich ihm bayrisches Bier mitgebracht habe. Oder wann mir mal zusammen welches
trinken. Er deutet auf seinen stattlichen aserbaidschanischen Bauch, ich auf
meinen deutschen. Wir lachen. Orxan hilft uns als Dolmetscher. Es ist eine
deutsche Kirche, die um 1900 erbaut wurde. Der Ölboom des 19. Jh. hat auch viele
Deutsche hierher verschlagen. Die Kirche ist blitzsauber renoviert und dient
als Konzertsaal mit Orgel. Dann gehen wir noch zum „Kapellhaus“, das ist in
einem Hinterhof, irgendwie unter deutscher Leitung, und veranstaltet im
Dezember einen Weihnachtsmarkt.
Wir essen zusammen Döner. Ich lerne, daß die verschiedenen
Bezeichnungen, unter denen er immer angeboten wird, sich auf die Form des
Brotes beziehen.
Lavaş - in dünnen Teigfladen gewickelt
Tombik - rundes Brot
Çörək - flaches Brot
Ayran gibt es hier in hübschen kleinen Kupferkrügen, aber das metallische Aroma im Geschmack ist scheußlich.
Lavaş - in dünnen Teigfladen gewickelt
Tombik - rundes Brot
Çörək - flaches Brot
Ayran gibt es hier in hübschen kleinen Kupferkrügen, aber das metallische Aroma im Geschmack ist scheußlich.
Orxan hilft mir, die richtige Bushaltestelle zu
finden, von der nachher mein Bus Richtung Flughafen abfahren wird. Ich laufe
noch ein wenig herum. Nehme dann am späten Abend den Bus 136, weil der Bus 116
zum Flughafen aus unbekannten Gründen nicht fährt. Der Bus lädt mich an einem
Autobahndreieck ab. Von dort zum Flughafen ist es ein Fußmarsch von 20 Minuten.
Ein Autofahrer hält an, ist so nett und will mich mitnehmen. Ich gehe trotzdem lieber
zu Fuß, denn sonst muß ich am Flughafen noch mehr Zeit vertrödeln. Bis zu
meiner Ankunft am Flughafen wird der Wind immer stärker und erreicht
Orkanstärke. Erst als ich ankomme, geht ein gewaltiger Wolkenbruch
nieder -
Glück gehabt!
Zuerst gehe ich ins neue
Terminal, das erst im Mai eröffnet wurde. Am Eingang ist Sicherheitskontrolle.
Ich sage, daß ich nur mal die Architektur bewundern möchte, und werde
eingelassen. Alles ist nagelneu und mit edelsten Materialien ausgestattet. Große moderne Architektur. Als Grundform der riesigen Dachkonstruktion ist das
Sechseck gewählt. Mir wird nicht klar, wie die Statik hält, ohne daß alles
zusammenstürzt. Der ganze neue Flughafen funktioniert, die Gastronomie
einschließlich McDonald´s ist geöffnet, aber ohne Publikum ist alles in einem
seltsamen Dornröschenschlaf. Für morgen sind ca. 20 Flüge angezeigt, mehr
nicht. Ich gehe nochmal zum Eingang, lobe die Architektur und frage, ob ich
fotografieren darf, was mir sogar erlaubt wird. Nach 5 Minuten tauchen zwei
sehr mißtrauische Uniformierte auf, und wir einigen uns darauf, daß ich den Bereich
Sicherheitskontrolle nicht fotografiere, nur den den vorderen repräsentativen
Teil.
Dann gehe ich zum alten Terminal, das wie eine große Hochzeitstorte
aussieht und 2 Bereiche hat. Der Nordbereich ist „meiner“, und der Südbereich
ist für Inlandsflüge. Hauptsächlich in die Exklave Naxcivan, die zwischen Iran und
Armenien eingeklemmt ist und im äußersten Westen eine 9 km lange Grenze zur
Türkei hat. Am Eingang ist eine Gepäckkontrolle. Lauter nette Uniformierte, die
nichts zu tun haben. Ich sage, daß ich nachher nach Budapest fliege und es ist
so langweilig, ich würde gerne den Flughafen besichtigen. Wir plaudern einige
Minuten. Sie finden es toll, daß ich hier Urlaub mache, kennen Zaqatala,
fragen, ob ich auch in Qax war, nein, leider nicht…. Einer kann ein paar Sätze
Deutsch und ein Freund von ihm ist in München. Herrlich. Ich gehe auf die
Toilette, die hier sehr sauber ist. Eine sehr resolute Klofrau, die sehr laut
Russisch spricht, hält mich am Ausgang fest: Was ich hier auf der
Naxcivan-Seite zu suchen habe, wenn ich doch angeblich nach Budapest will. Sie
zieht mich am Kragen meiner Jacke mit und präsentiert mich dem
Sicherheitspersonal. Dieses irrationale postsowjetische Verschwörungsdenken ist
in diesem autoritär regierten Land allgegenwärtig. Die Situation kommt mir so
absurd vor, daß ich innerlich schmunzeln muß. Ich muß ein paar Fragen beantworten
und werde rausgeschickt.
Keine 24 Stunden später bin ich wieder zu Hause, im Gepäck habe ich eine echte ungarische Salami aus Budapest und 1000 Erinnerungen an gastfreundliche, offenherzige Menschen.
Keine 24 Stunden später bin ich wieder zu Hause, im Gepäck habe ich eine echte ungarische Salami aus Budapest und 1000 Erinnerungen an gastfreundliche, offenherzige Menschen.
Und das war die Reisevorbereitung:
Visum beantragen: Ohne Visum keine Einreise. Die Internetseite der Botschaft verkündet, daß Touristenvisa neuerdings nicht mehr über die Botschaft beantragt werden können. Sie werden jetzt nur noch auf elektronischem Weg erteilt und kosten nur noch 20 Euro. Eine Liste von 20 oder 30 aserbaidschanischen Reiseveranstaltern wird angeführt, über die ein Visaantrag möglich ist. Alle bieten Rundumservice an, Hotels, Mietwagen, Betreuung, und das zu außergewöhnlich hohen Preisen. Riecht nach Vetternwirtschaft. Ich fülle einfach trotzdem ein Antragsformular aus, das ich irgendwo heruntergeladen habe, füge alle notwendigen Unterlagen bei und gehe in Berlin damit zur Botschaft. Der Sachbearbeiter nimmt meine Papiere entgegen, ich sage nichts und gucke neutral. Ich rechne damit, daß er mich auf das E-Visum verweist und wieder wegschickt. Stattdessen guckt er alles genau durch, sagt dann, ich muss noch die Gebühr von 60 Euro begleichen und es fehlt noch eine Arbeitsbestätigung vom Arbeitgeber, ob ich die heute noch mailen könne. Zwei Wochen später ist wie versprochen das Visum erteilt.
Zu den Unterlagen zählt auch ein Schreiben eines hochpreisigen Hotels, das meine Reservierung für die geamte Reisedauer bestätigt (Nachweis der Unterkunft) und mir einen angenehmen Aufenthalt in Baku wünscht.
Es gibt nur einen einzigen deutschsprachigen Reiseführer, Ausgabe 2012, siehe ganz unten.
Sprachkenntnisse: Ich lerne auf Aserbaidschanisch einige alltägliche Redewendungen und die Zahlen auswendig. Das fällt mir ziemlich schwer, ist aber notwendig. Die Sprache ist eng mit der türkischen verwandt, also für Deutsche völlig fremd und auch mit einer komplett anderen Systematik. Die wichtigsten Sätze schreibe ich auf einen Zettel, den ich immer griffbereit in der Tasche habe - und muß ihn auch ständig benutzen!
Als Gepäck reicht ein kleinerer Rucksack, der ins Flugzeug als „Handgepäck“ mitkommt, so habe ich die Hände frei und alles bequem bei mir.
Die Transporttechnik, mit der man trotz Rucksack immer ein anständig aussehendes Hemd anziehen kann, habe ich ja schon vor Jahren entwickelt.
Der Reiseführer - zu dem ich erst nach der Reise, beim Nach-Lesen, ein innigeres Verhältis entwickelt habe:
Aserbaidschan mit Baku, Kaukasus und Kaspischem Meer / Philine von Oppeln. Unter Mitarbeit von Gerald Läzer und Gila Altmann Berlin : Trescher-Verlag, 2012 2., überarbeitete und erweiterte Auflage ISBN 978-3-89794-228-8 Wie
du ernüchtert feststellst, habe ich diesen Bericht nur geschrieben, um dich dazu zu
verleiten, den obigen Link anzuklicken und Bücher beim Trescher-Verlag zu
kaufen, der mir dafür seine tiefste Dankbarkeit und die Auszahlung eines Vermögens gelobt hat.
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