Reisebericht Aserbaidschan. September 2014.
Ein viiiel zu lang geratener Reisebericht über nur eine Woche. Und ich habe so vieles gar nicht erwähnt...
Montag, 22.09.2014
Anreise von Berlin über Budapest nach Baku
Um 04.59 Uhr fährt mein Zug in Berlin ab. In Prag umsteigen über Bratislava Richtung Budapest. Am ersten Bahnhof hinter der ungarischen Grenze steigt ein hochgewachsener schriller Jogginghosenträger zu, der wie ein amerikanischer Rapper mit lauter glänzenden Modeschmuckketten behängt ist. Auf dem Rücken seines rosa Pullovers steht groß „Hungary“. Er ist etwa in meinem Alter. Wir sprechen kein Wort gemeinsame Sprache, aber er bewegt mit seinen agilen Händen und seinem Gesicht ganze Spielfilme. Verglichen mit ihm wäre Louis de Funès höchstens ein Rudolf Scharping. Er erzählt alles Mögliche, will immer wissen, was dies oder das kostet (Schokolade, Armbanduhr, Hose, meine Flasche Cola etc.) und sagt den ungarischen Preis dazu. Der amüsierte Schaffner sitzt bei uns, kann etwas Deutsch und übersetzt uns die Zahlen.
Ankunft in Budapest kurz nach 17 Uhr. Um 21.50 ist Abflug. Ich tausche in einer Wechselstube 20 Euro um und werde anscheinend nicht betrogen. Lohnt sich bei dem Betrag wohl auch kaum. Ein paar Forint gebe ich für Lebensmittel und Metro-/Bus-Tickets aus. Mildes Wetter. Ich habe Zeit und laufe durch die Stadt bis zur Metrostation Klinikak. Sauge einen kleinen Eindruck von Budapest ein. Sehr sympathisch, geradezu freundlich – aber eben auch groß und laut, wie jede Stadt.
Montag, 22.09.2014
Anreise von Berlin über Budapest nach Baku
Um 04.59 Uhr fährt mein Zug in Berlin ab. In Prag umsteigen über Bratislava Richtung Budapest. Am ersten Bahnhof hinter der ungarischen Grenze steigt ein hochgewachsener schriller Jogginghosenträger zu, der wie ein amerikanischer Rapper mit lauter glänzenden Modeschmuckketten behängt ist. Auf dem Rücken seines rosa Pullovers steht groß „Hungary“. Er ist etwa in meinem Alter. Wir sprechen kein Wort gemeinsame Sprache, aber er bewegt mit seinen agilen Händen und seinem Gesicht ganze Spielfilme. Verglichen mit ihm wäre Louis de Funès höchstens ein Rudolf Scharping. Er erzählt alles Mögliche, will immer wissen, was dies oder das kostet (Schokolade, Armbanduhr, Hose, meine Flasche Cola etc.) und sagt den ungarischen Preis dazu. Der amüsierte Schaffner sitzt bei uns, kann etwas Deutsch und übersetzt uns die Zahlen.
Ankunft in Budapest kurz nach 17 Uhr. Um 21.50 ist Abflug. Ich tausche in einer Wechselstube 20 Euro um und werde anscheinend nicht betrogen. Lohnt sich bei dem Betrag wohl auch kaum. Ein paar Forint gebe ich für Lebensmittel und Metro-/Bus-Tickets aus. Mildes Wetter. Ich habe Zeit und laufe durch die Stadt bis zur Metrostation Klinikak. Sauge einen kleinen Eindruck von Budapest ein. Sehr sympathisch, geradezu freundlich – aber eben auch groß und laut, wie jede Stadt.
Die
Metro hat olle sozialistische Züge mit sehr lautem Rumpeln.
Dann per Bus weiter zum Flughafen. Der Billigflug nach Baku ist anstrengend.
Wizzair ist vergleichbar mit Ryanair – hier zählt nur der Preis. Ich
sitze weit vorne, ein
Kind wird plötzlich krank, das Personal sucht unter den Passagieren per
Durchsage einen Arzt. An Schlaf ist auch
wegen der extrem eng gestellten Sitzreihen
nicht zu denken. Handy ausschalten oder Anschnallen ist dem Herrn
schräg vor
mir völlig fremd. Sofort beim Aufsetzen auf der Rollbahn macht er
einen raschen
Anruf bei der Familie.
Dienstag, 23.09.2014
Globalisierung! Ich war in den letzten 20 Stunden in 5 Ländern! Deutschland, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Aserbaidschan.
In Baku geht die Paßkontrolle sehr schnell. Zollkontrolle gibt es nicht, keiner der 4 anwesenden Beamten interessiert sich für mich oder würdigt mich nur eines Blickes. Auch kein Einreiseformular ist auszufüllen. Es ist mitten in der Nacht, erst halb fünf Uhr morgens. Den lauernden Taxifahrern sage ich auf Deutsch, daß ich kein Taxi brauche und jetzt erstmal im Flughafen bleibe. Ich setze mich irgendwohin und döse ein wenig. Schlafen geht nicht wegen der Lautsprecherdurchsagen.
Die Schilder und Plakate auf Aserbaidschanisch sind ungewohnt. Die Schrift sieht für uns Deutsche exotisch aus, denn es gibt das umgedrehte e „ə“ und das „q“ ohne „u“. Wenn man weiß, daß das ə wie ä und das q wie g ausgesprochen wird, ist dieses Rätsel schnell entzaubert.
Ich ziehe 195 Manat (1Manat = 1 Euro, sehr praktisch) aus dem Geldautomaten, gehe zum Café draußen vor dem Gebäude. Es sind 20 Grad und Windstille. Ich bestelle einen Tee. Der Kellner ist drahtig mit blitzschnellen Bewegungen. Für den Tee möchte er kein Geld, er faßt sich an die Brust, um zu bedeuten, daß es ein Geschenk von Herzen ist. Ich kaufe dennoch Kaugummi, um Kleingeld für den Bus zu bekommen.
Europa oder Asien?
Geographisch gesehen ist Aserbaidschan am Ostrand Europas. Baku ist demzufolge Europas östlichste Stadt. Und die tiefstgelegene Hauptstadt, nämlich am Kaspischen Meer, dessen Spiegel 28m unter dem Meeresspiegel liegt. Politisch gesehen ist es schon schwieriger. Seit Jahrzehnten gibt es das Bestreben der Türkei, Mitglied der EU zu werden, während doch der größte Teil jenes Landes nicht in Europa, sondern in Asien (genauer: Kleinasien) liegt. Und das ist weit westlich von Aserbaidschan. Das Kaukasusgebirge, das man auch als geographische Begrenzung Europas sehen darf, zieht sich durch den Norden Aserbaidschans. Nördlich davon liegt die Republik Dagestan, die zu Russland gehört. Und im Süden liegt der Iran. Von etwa 40 Millionen Aserbaidschanern leben übrigens nur 9 Millionen in Aserbaidschan, und 30 Millionen im Iran. Die historische Hauptstadt Aserbaidschans ist Täbris. Im Brockhaus von 1883 etwa ist noch keine Rede von Baku. Politisch orientiert sich die Regierung nach Europa. Das heißt, sie verkauft ihr Öl dorthin und sucht europäische Anerkennung. Auf den Geldscheinen ist groß der Umriß des Landes abgedruckt und daneben kleiner die Silhouette Europas. Übrigens sehen die Geldscheine auch den Euroscheinen sehr ähnlich. Sie wurden von demselben Gestalter entworfen. Von Berlin ist Aserbaidschan so weit entfernt wie die Kanarischen Inseln. Ich persönlich fühle mich hier nicht wie im Herzen Europas, sondern doch eher wie im Nahen Osten, im Morgenland, und das zählt zu Asien.
Globalisierung! Ich war in den letzten 20 Stunden in 5 Ländern! Deutschland, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Aserbaidschan.
In Baku geht die Paßkontrolle sehr schnell. Zollkontrolle gibt es nicht, keiner der 4 anwesenden Beamten interessiert sich für mich oder würdigt mich nur eines Blickes. Auch kein Einreiseformular ist auszufüllen. Es ist mitten in der Nacht, erst halb fünf Uhr morgens. Den lauernden Taxifahrern sage ich auf Deutsch, daß ich kein Taxi brauche und jetzt erstmal im Flughafen bleibe. Ich setze mich irgendwohin und döse ein wenig. Schlafen geht nicht wegen der Lautsprecherdurchsagen.
Die Schilder und Plakate auf Aserbaidschanisch sind ungewohnt. Die Schrift sieht für uns Deutsche exotisch aus, denn es gibt das umgedrehte e „ə“ und das „q“ ohne „u“. Wenn man weiß, daß das ə wie ä und das q wie g ausgesprochen wird, ist dieses Rätsel schnell entzaubert.
Ich ziehe 195 Manat (1Manat = 1 Euro, sehr praktisch) aus dem Geldautomaten, gehe zum Café draußen vor dem Gebäude. Es sind 20 Grad und Windstille. Ich bestelle einen Tee. Der Kellner ist drahtig mit blitzschnellen Bewegungen. Für den Tee möchte er kein Geld, er faßt sich an die Brust, um zu bedeuten, daß es ein Geschenk von Herzen ist. Ich kaufe dennoch Kaugummi, um Kleingeld für den Bus zu bekommen.
Europa oder Asien?
Geographisch gesehen ist Aserbaidschan am Ostrand Europas. Baku ist demzufolge Europas östlichste Stadt. Und die tiefstgelegene Hauptstadt, nämlich am Kaspischen Meer, dessen Spiegel 28m unter dem Meeresspiegel liegt. Politisch gesehen ist es schon schwieriger. Seit Jahrzehnten gibt es das Bestreben der Türkei, Mitglied der EU zu werden, während doch der größte Teil jenes Landes nicht in Europa, sondern in Asien (genauer: Kleinasien) liegt. Und das ist weit westlich von Aserbaidschan. Das Kaukasusgebirge, das man auch als geographische Begrenzung Europas sehen darf, zieht sich durch den Norden Aserbaidschans. Nördlich davon liegt die Republik Dagestan, die zu Russland gehört. Und im Süden liegt der Iran. Von etwa 40 Millionen Aserbaidschanern leben übrigens nur 9 Millionen in Aserbaidschan, und 30 Millionen im Iran. Die historische Hauptstadt Aserbaidschans ist Täbris. Im Brockhaus von 1883 etwa ist noch keine Rede von Baku. Politisch orientiert sich die Regierung nach Europa. Das heißt, sie verkauft ihr Öl dorthin und sucht europäische Anerkennung. Auf den Geldscheinen ist groß der Umriß des Landes abgedruckt und daneben kleiner die Silhouette Europas. Übrigens sehen die Geldscheine auch den Euroscheinen sehr ähnlich. Sie wurden von demselben Gestalter entworfen. Von Berlin ist Aserbaidschan so weit entfernt wie die Kanarischen Inseln. Ich persönlich fühle mich hier nicht wie im Herzen Europas, sondern doch eher wie im Nahen Osten, im Morgenland, und das zählt zu Asien.
Der Parkplatz bietet ein kurioses Bild. Nur zwei Arten Autos gibt es: Nagelneue
teure Luxuswagen und uralte klapprige Autos aus Sowjetzeiten. Grob gesagt,
Mercedes und Lada. Alle sind von feinem Sandstaub überzogen.
Mehrere
Busse stehen bereit, einer davon mit Fahrer.
Ein paar englischsprachige Touristen scheinen nicht zu verstehen, was
der Fahrer ihnen sagen will, nämlich, daß der „richtige“ Bus nicht da ist, sie
aber mit seinem ein Stück mitfahren können, um dann umzusteigen. - Der zweite Bus ist zum Bersten voll. Ich bin ja nur eine Person mit
einem kleinen Gepäckstück und versuche mich hineinzudrängeln: Es geht! In
diesen völlig überfüllten Bus steigen auf den folgenden 10 Kilometern immer
noch mehr Leute ein.
Am Stadtrand Bakus ist riesiges Gewimmel, hier ist die Metrostation, ich steige mit aus. Menschenmassen drängeln sich – ohne jede Rücksicht – durch den Eingang und zu den Kassenautomaten. Ich beobachte, was sie dort tun, kaufe dann eine Karte, die man an den Automaten mit Guthaben aufladen muß. Höflichkeit oder Schlangestehenmentalität führt hier zu nichts. Also drängle ich mit und lade erfolgreich 60 Qepik auf. Eine Fahrt kostet 20 Qepik = 20 Euro-Cent. Die Metro ist aus der sozialistischen Zeit. Die gleichen Züge wie vorhin in Budapest. Nur unglaublich überfüllt. Und vorne an jedem Zug ragt ein Rückspiegel nach außen ab! Wie ist es möglich, daß davon nicht reihenweise am Bahnsteig die Fahrgäste erschlagen werden? Die Hälfte der wartenden Menge auf dem Bahnsteig schafft es bis in den Zug. Die Türen schließen mit großer Kraft, quetschen den Hintern des mutigsten jeweils letzten Zusteigers in den Waggon hinein zwischen die anderen Fahrgäste. So voll war in Berlin noch nie eine U-Bahn. Mir kommen Gedanken an das verheerende Unglück 1995 in der Bakuer Metro mit hunderten Todesopfern, aber ich habe gar keine Zeit, daran zu denken. Mit dem übernächsten Zug komme ich mit. Auch sonst ist die Metro hier anders. Die Entfernungen zwischen den Stationen sind sehr groß, der Zug rumpelt richtig laut. Nach der Abfahrt sagt eine Stimme , welche Station die nächste ist. Kurz vor Einfahrt in die Station erklingt eine kurze Melodie. Jede Station hat ihre eigene Melodie, an der man sie erkennen kann. Ich finde, das ist eine sehr schöne Idee. Und die Metro liegt in sehr großer Tiefe unter der Stadt. Folglich ist die Metro von Baku die tiefste Stelle unter dem Meeresspiegel, die ich bisher erreicht habe. Ich muß an der Station 28. Mai umsteigen, hier ist auch der Bahnhof von Baku. Ich frage einen Uniformierten, ob ich den Zug (ein strategisch wichtiges Objekt) fotografieren darf, der da steht. Er nickt konspirativ und sieht dann demonstrativ weg, während ich meine Fotos mache.
Am Stadtrand Bakus ist riesiges Gewimmel, hier ist die Metrostation, ich steige mit aus. Menschenmassen drängeln sich – ohne jede Rücksicht – durch den Eingang und zu den Kassenautomaten. Ich beobachte, was sie dort tun, kaufe dann eine Karte, die man an den Automaten mit Guthaben aufladen muß. Höflichkeit oder Schlangestehenmentalität führt hier zu nichts. Also drängle ich mit und lade erfolgreich 60 Qepik auf. Eine Fahrt kostet 20 Qepik = 20 Euro-Cent. Die Metro ist aus der sozialistischen Zeit. Die gleichen Züge wie vorhin in Budapest. Nur unglaublich überfüllt. Und vorne an jedem Zug ragt ein Rückspiegel nach außen ab! Wie ist es möglich, daß davon nicht reihenweise am Bahnsteig die Fahrgäste erschlagen werden? Die Hälfte der wartenden Menge auf dem Bahnsteig schafft es bis in den Zug. Die Türen schließen mit großer Kraft, quetschen den Hintern des mutigsten jeweils letzten Zusteigers in den Waggon hinein zwischen die anderen Fahrgäste. So voll war in Berlin noch nie eine U-Bahn. Mir kommen Gedanken an das verheerende Unglück 1995 in der Bakuer Metro mit hunderten Todesopfern, aber ich habe gar keine Zeit, daran zu denken. Mit dem übernächsten Zug komme ich mit. Auch sonst ist die Metro hier anders. Die Entfernungen zwischen den Stationen sind sehr groß, der Zug rumpelt richtig laut. Nach der Abfahrt sagt eine Stimme , welche Station die nächste ist. Kurz vor Einfahrt in die Station erklingt eine kurze Melodie. Jede Station hat ihre eigene Melodie, an der man sie erkennen kann. Ich finde, das ist eine sehr schöne Idee. Und die Metro liegt in sehr großer Tiefe unter der Stadt. Folglich ist die Metro von Baku die tiefste Stelle unter dem Meeresspiegel, die ich bisher erreicht habe. Ich muß an der Station 28. Mai umsteigen, hier ist auch der Bahnhof von Baku. Ich frage einen Uniformierten, ob ich den Zug (ein strategisch wichtiges Objekt) fotografieren darf, der da steht. Er nickt konspirativ und sieht dann demonstrativ weg, während ich meine Fotos mache.
Dann geht es mit der Metro weiter zur Station 20.
Januar, wo das günstige Hotel „Velotrek“ in Nähe der
Radrennbahn sein soll. Hier gibt es einen Busbahnhof. Das heißt, jede Menge
Busse und Marschrutkas verstopfen eine riesige Kreuzung in alle Richtungen.
Marschrutkas heißen die Minibusse, die alle Ortschaften des Landes in hoher
Frequenz miteinander verbinden. Ich frage mich durch, werde in verschiedene
Richtungen geschickt, insgesamt drei Einheimische nacheinander kennen das Hotel
und schicken mich in verschiedene Richtungen an einen bestimmten Ort… Aber es
ist kein Hotel zu sehen. Schließlich bedeutet mir einer, ihm zu folgen in ein
Gassenlabyrinth aus Basar-Buden, fragt ob ich Radfahrer bin, deutet auf einen
Laden mit Fahrrädern… der wird mir
jetzt doch nicht ein Fahrrad verkaufen
wollen? Er ist sehr nett. Er spricht nur Aserbaidschanisch und meine
paar Brocken habe ich schon längst ausgereizt. Am Ende des Basarlabyrinths
treten wir an einen Abhang vor einer stadiongroßen Schuttfläche, dahinter ist
die Radrennbahn. Er deutet auf die Schuttfläche und jetzt verstehe ich: Hier
stand das Hotel, es wurde abgerissen! So
ein netter Kerl. Nun werde ich mit festem Handschlag entlassen, nicht ohne sich
vorher noch mit Namen vorzustellen.
Also ist das billige Hotel aus dem 2 Jahre alten Reiseführer weg. Ich fahre stadteinwärts und suche beim Azerbaijan Prospekti das nächste billige Hotel: Nach einer halben Stunde aktiver Suche schickt mich ein Frisör zu einem gegenüber wartenden Taxifahrer. Der kennt das Hotel und sagt, ja, das war hier drüben, ist aber längst geschlossen.
Nun brauche ich Internet. Ich entdecke einen Mc Donalds, der wohl in allen Ländern der Erde seine Einheitskost anbietet, aber vor allem auch kostenloses WiFi, um mit dem Mobiltelefon ins Internet zu gelangen. Mit einem Getränk setze ich mich hin und nehme erstmal Kontakt zu Orxan auf. Ein Student, der mit einem DAAD-Stipendium in Bremen war. Er ist in der Nähe und bietet an, hierherzukommen, ich soll eine halbe Stunde warten. Prima! Inzwischen suche ich über booking.com die 3 günstigsten Hotels raus und stelle fest, daß die Preise jetzt (also für heute sofort) viel niedriger sind als vor ein paar Wochen. Ich werde einfach hingehen und nach einem Zimmer fragen.
Also ist das billige Hotel aus dem 2 Jahre alten Reiseführer weg. Ich fahre stadteinwärts und suche beim Azerbaijan Prospekti das nächste billige Hotel: Nach einer halben Stunde aktiver Suche schickt mich ein Frisör zu einem gegenüber wartenden Taxifahrer. Der kennt das Hotel und sagt, ja, das war hier drüben, ist aber längst geschlossen.
Nun brauche ich Internet. Ich entdecke einen Mc Donalds, der wohl in allen Ländern der Erde seine Einheitskost anbietet, aber vor allem auch kostenloses WiFi, um mit dem Mobiltelefon ins Internet zu gelangen. Mit einem Getränk setze ich mich hin und nehme erstmal Kontakt zu Orxan auf. Ein Student, der mit einem DAAD-Stipendium in Bremen war. Er ist in der Nähe und bietet an, hierherzukommen, ich soll eine halbe Stunde warten. Prima! Inzwischen suche ich über booking.com die 3 günstigsten Hotels raus und stelle fest, daß die Preise jetzt (also für heute sofort) viel niedriger sind als vor ein paar Wochen. Ich werde einfach hingehen und nach einem Zimmer fragen.
Dann kommt Orxan. Germanistikstudent, sympathisch und wohlerzogen, formuliert sehr gründlich korrekte Sätze, wir verstehen uns gut. Er ist Deutschlandfan nach seinem Aufenthalt in Bremen und will unbedingt wiederkommen. Er gibt mir viele Informationen über Gesellschaft, Staat und Leben im Lande, ….z.B. auch, daß ich von der Erscheinung her auch gut als Azeri (das ist eine inoffizielle Abkürzung für Aserbaidschaner - oder auch ihre Sprache) durchgehen würde, aber mit meiner olivgrünen Hose extrem auffällig bin. Männer tragen hier blaue oder schwarze Hosen, vielleicht auch mal grau oder dunkelbraun. Und schwarze Schuhe. Auch mein Rucksack ist ein untrügliches Ausländerkennzeichen, aber das wußte ich schon vorher. Die meisten Leute in Baku tragen höchstens ein kleines Täschchen mit sich. Ich könnte das nicht, denn als Diabetiker muß ich ohnehin immer ein paar Dinge mehr mitnehmen...
Orxan hat Zeit und wir machen einen Gang durch die Stadt in Richtung İçəri Şəhər. Das ist die sehr hübsche denkmalgeschützte Altstadt Bakus. UNESCO -Weltkulturerbe. Wo sie nicht nagelneu und keimfrei renoviert ist, hat sie Flair. Und es ist ruhig, weil der ohrenbetäubende Autoverkehr draußen bleibt. Wir suchen zwei der billigen Hotels auf und im zweiten nehme ich das Zimmer, weil es OK ist. Und der Angestellte bietet an, die Registrierung vorzunehmen. Als Ausländer muß ich mich innerhalb 3 Tagen nach Ankunft durch meinen Gastgeber bei der Ausländerpolizei registrieren lassen. Ich hatte gelesen, daß es da manchmal Schwierigkeiten gibt. Nicht in diesem Hotel, ich bin erleichtert. Sie "vergessen" sogar, das Abreisedatum einzutragen und geben mir eine Kopie der Registrierung mit - nun kann ich mich frei durchs ganze Land bewegen.
Orxan ist mir eine große Hilfe, weil er Azeri spricht.
Orxan hat Zeit und wir machen einen Gang durch die Stadt in Richtung İçəri Şəhər. Das ist die sehr hübsche denkmalgeschützte Altstadt Bakus. UNESCO -Weltkulturerbe. Wo sie nicht nagelneu und keimfrei renoviert ist, hat sie Flair. Und es ist ruhig, weil der ohrenbetäubende Autoverkehr draußen bleibt. Wir suchen zwei der billigen Hotels auf und im zweiten nehme ich das Zimmer, weil es OK ist. Und der Angestellte bietet an, die Registrierung vorzunehmen. Als Ausländer muß ich mich innerhalb 3 Tagen nach Ankunft durch meinen Gastgeber bei der Ausländerpolizei registrieren lassen. Ich hatte gelesen, daß es da manchmal Schwierigkeiten gibt. Nicht in diesem Hotel, ich bin erleichtert. Sie "vergessen" sogar, das Abreisedatum einzutragen und geben mir eine Kopie der Registrierung mit - nun kann ich mich frei durchs ganze Land bewegen.
Orxan ist mir eine große Hilfe, weil er Azeri spricht.
Orxan kennt eine traditionelle und billige Gaststätte, wo
wir Kababi (gegrilltes Fleisch) essen gehen,
dazu gibt es Tendir-Brot. Das wird vor Ort in einem klobigen Lehmofen gebacken, der im
Eingangsbereich der Gaststätte wie ein großer Brunnen mitten im Weg steht und
um den jeder Gast herumlaufen muß. Darin wird ein Feuer gemacht und dann der Brotteig
innen an die Lehmrundung des Ofens gedrückt. Das Brot schmeckt ganz besonders
lecker. Dazu lerne ich auf Orxans Empfehlung das Getränk Doğramac kennen. Es ist eine Art Ayran
(salziger Joghurt mit Wasser) mit frischen und sehr aromatischen Kräutern. Obwohl es bei uns noch gar nicht so
lange verboten ist, fällt es mir als sehr ungewohnt auf, daß im Restaurant
geraucht wird. Nach dem Abschied von Orxan laufe ich noch ein bißchen durch die
abendliche Stadt.
Ich schlafe in dem Hotel ganz gut. Mit Ohrstöpseln.
Ich schlafe in dem Hotel ganz gut. Mit Ohrstöpseln.
Mittwoch, 24. September 2014
Frühstück gibt es in der obersten Etage des Hotels mit einer tollen Aussicht über das ganze
Panorama mit der modernen Skyline, der Altstadt, der Bucht des Kaspischen Meeres
bis zu den „Flame Towers“ und dem Fernsehturm.
Flame Towers
Die „Flame Towers“ sind ein typisches Prestigeprojekt der autokratischen Regierung. Unnötig, zu teuer, mit technischen Mängeln, deren Behebung die Baukosten um ein Mehrfaches erhöht haben. Drei Hochhäuser in Form der Flammen, die Teil des aserbaidschanischen Staatswappens sind. Sie stehen seit 2012 unweit des Fernsehturms an exponierter Stelle oberhalb der Innenstadt und geben der Skyline einen wesentlichen Akzent. Aserbaidschan ist als das „Land des Feuers“ bekannt. Seit der Antike sind die Erdgasfeuer überliefert, es gab (und gibt wohl noch?) eine Religion der Feueranbeter. Erdöl bestimmt die Geschichte des Landes, als Brennstoff und sogar als Medizin. Die Flame Towers werden vom kritischen Teil der Bevölkerung abgelehnt und haben den Spitznamen „Reißzähne“. Meine persönliche Meinung dazu ist trotz alledem ganz anders: Mir gefallen sie! Ich finde, sie setzen mit ihrer lebhaften, geschwungenen Form an der richtigen Stelle einen gelungenen ästhetischen Tupfer über die Stadt. Hier sind so viele Ölmilliarden in nichtssagenden Immobilien verbaut. Korruption ist ein wesentlicher Pfeiler dieses Regimes. Aber die Flame Towers sehen wenigstens gut aus. Die meisten der Neubauten, die der durchaus größenwahnsinnige Stadtumbau hervorbringt, sind ohne stadtplanerisches Konzept und nur für sich selbst, ohne Sinn für den Zusammenhang gebaut. Die Flame Towers sind für mich trotz all der kritikwürdigen Machenschaften ein Beispiel für gelungene Architektur.
Die „Flame Towers“ sind ein typisches Prestigeprojekt der autokratischen Regierung. Unnötig, zu teuer, mit technischen Mängeln, deren Behebung die Baukosten um ein Mehrfaches erhöht haben. Drei Hochhäuser in Form der Flammen, die Teil des aserbaidschanischen Staatswappens sind. Sie stehen seit 2012 unweit des Fernsehturms an exponierter Stelle oberhalb der Innenstadt und geben der Skyline einen wesentlichen Akzent. Aserbaidschan ist als das „Land des Feuers“ bekannt. Seit der Antike sind die Erdgasfeuer überliefert, es gab (und gibt wohl noch?) eine Religion der Feueranbeter. Erdöl bestimmt die Geschichte des Landes, als Brennstoff und sogar als Medizin. Die Flame Towers werden vom kritischen Teil der Bevölkerung abgelehnt und haben den Spitznamen „Reißzähne“. Meine persönliche Meinung dazu ist trotz alledem ganz anders: Mir gefallen sie! Ich finde, sie setzen mit ihrer lebhaften, geschwungenen Form an der richtigen Stelle einen gelungenen ästhetischen Tupfer über die Stadt. Hier sind so viele Ölmilliarden in nichtssagenden Immobilien verbaut. Korruption ist ein wesentlicher Pfeiler dieses Regimes. Aber die Flame Towers sehen wenigstens gut aus. Die meisten der Neubauten, die der durchaus größenwahnsinnige Stadtumbau hervorbringt, sind ohne stadtplanerisches Konzept und nur für sich selbst, ohne Sinn für den Zusammenhang gebaut. Die Flame Towers sind für mich trotz all der kritikwürdigen Machenschaften ein Beispiel für gelungene Architektur.
Ich wollte heute mit dem Vorortzug über die Dörfer der Halbinsel
Abşeron reisen, am Bahnhof finde ich aber heraus, daß es diese Züge
„Elektritschka“ seit ein oder zwei Jahren nicht mehr gibt. Schade. Also mache
ich mich auf den Weg zu „Yanar Dağ“, dem „Brennenden Berg“. Eine etwa einstündige Busfahrt zu einem
Vorort nördlich von Baku. Unterwegs geht es durch eine unwirklich erscheinende
Gegend, nämlich Ölfelder.
Ein Wald aus Bohrtürmen und Ölpumpen erstreckt sich kilometerweit entlang der Straße. Ich lasse den Busfahrer anhalten („Saxla burda“, habe ich extra gelernt!), er wundert sich und ich steige aus. Ein starker Geruch liegt in der Luft, so ähnlich wie Heizöl. Das Öl wird in hunderten, nein, wohl tausenden kleiner Brunnen gefördert und durch Rohrleitungen irgendwohin transportiert. An der belebten Straßenkreuzung gibt es auch Schilder, daß man hier nicht fotografieren darf, also gehe ich sehr „heimlich“ vor, damit ich wenigstens ein paar Aufnahmen habe, die die unwirkliche Atmosphäre dieses Ortes festhalten.
Am Brennenden Berg ist es eigentlich nicht besonders aufregend. In einer trostlosen Umgebung findet man – nachdem man 2 Manat Eintrittsgebühr entrichtet hat – ein etwa 10 m langes Stück Hangböschung, das tatsächlich in Flammen steht. Hier strömt durch das poröse Gestein Erdgas aus dem Berg. Es wird gesagt, daß die Flammen seit alters her brennen, der Reiseführer sagt, daß ein Hirte 1958 versehentlich das Gas hier entzündet hat, und daß es seitdem brennt. Wie es jemandem gelingt, versehentlich einen Berg anzuzünden, ist ja nicht so wichtig. Das Resultat gefällt mir sehr gut, es ist doch ganz erstaunlich. Und heiß! Man kann nicht sehr nahe an die Flammen treten, das Gestein strahlt eine glühende Hitze aus und der sehr starke Wind jagt die Flammen unberechenbar umher. Im Winter oder wenigstens im Dunkeln würde ich das gerne mal erleben.
Und natürlich fühle ich mich erinnert an den Titel eines bemerkenswerten abenteuerlichen Buches, das ich im Alter von etwa 12 Jahren geschenkt bekam: „Der Hexenmeister vom Flammenden Berg“! Ich mache mit dem Selbstauslöser ein entsprechendes Foto.
Am Brennenden Berg ist es eigentlich nicht besonders aufregend. In einer trostlosen Umgebung findet man – nachdem man 2 Manat Eintrittsgebühr entrichtet hat – ein etwa 10 m langes Stück Hangböschung, das tatsächlich in Flammen steht. Hier strömt durch das poröse Gestein Erdgas aus dem Berg. Es wird gesagt, daß die Flammen seit alters her brennen, der Reiseführer sagt, daß ein Hirte 1958 versehentlich das Gas hier entzündet hat, und daß es seitdem brennt. Wie es jemandem gelingt, versehentlich einen Berg anzuzünden, ist ja nicht so wichtig. Das Resultat gefällt mir sehr gut, es ist doch ganz erstaunlich. Und heiß! Man kann nicht sehr nahe an die Flammen treten, das Gestein strahlt eine glühende Hitze aus und der sehr starke Wind jagt die Flammen unberechenbar umher. Im Winter oder wenigstens im Dunkeln würde ich das gerne mal erleben.
Und natürlich fühle ich mich erinnert an den Titel eines bemerkenswerten abenteuerlichen Buches, das ich im Alter von etwa 12 Jahren geschenkt bekam: „Der Hexenmeister vom Flammenden Berg“! Ich mache mit dem Selbstauslöser ein entsprechendes Foto.
vid_20140924_145506.3gp | |
File Size: | 3532 kb |
File Type: | 3gp |
Hier außerhalb der Großstadt habe ich endlich mal etwas Ruhe
und Muße. An einem windgeschützten Picknicktisch breite ich die Landkarte aus,
mache ein bißchen Reiseplanung und beschließe, heute abend mit dem Nachtzug nach Zaqatala zu fahren. Das ist eine Kleinstadt mit
10 000 oder 20 000 Einwohnern und liegt im Nordwestzipfel des Landes nahe der Grenze zu Georgien und Dagestan.
Im Bahnhof Baku gibt es 25 Schalter. Einer davon ist als
englischsprachig gekennzeichnet. Da sitzt ein netter Angestellter, der
mich freundlich und hilfsbereit in sehr
gutem Englisch berät. Ich möchte also nach Zaqatala fahren. Es gibt erste,
zweite und dritte Klasse. Sitzplätze in der 3. Klasse. In der ersten Klasse Abteile mit 4 oder mit 2
Liegen. Schlafwagenabteile werden entweder von gemeinsam Reisenden gebucht oder
von der Bahn als Frauen- oder Männerabteile belegt. Ich bin gut vorbereitet und
verlange die beste und teuerste Variante, weil ich weiß, daß das immer noch
sehr billig ist. Ich habe Glück und bekomme nach zweimaligem Nachfragen doch
noch einen Platz in einem 2er-Abteil, der zuerst gar nicht mehr zu haben war…
Zum Kauf der Fahrkarte muß ich meinen Reisepaß vorlegen und das Ticket wird auf
meinen Namen ausgestellt mit Waggonnummer, Abteilnummer und Liegeplatznummer. Die Fahrkarte ist teilweise in kyrillischer Schrift ausgedruckt, und aus meinen drei Vornamen
ist flugs „Roland Xerbertevitsch“ geworden. Die Fahrkarte kostet 17 Manat. Im Zug werden dann noch 2 Manat für die Bettwäsche fällig.
Mir bleibt noch Zeit bis zur Abfahrt des Zuges, ich gehe
essen (gegrilltes Gemüse, Reis und Salat
– billig. Aber auch keine sehr große Portion) und kaufe Proviant für die
Zugfahrt. Ich komme an einigen Buchhandlungen vorbei. Eng, vollgestopft. Anscheinend
ist gerade Schulbuchsaison. Da stapeln sich große Mengen, ansonsten sieht das
Sortiment nicht allzu umfangreich aus. Auffällig viele Lehrbücher ausländischer
Sprachen. Viele auch mit Unterrichtssprache Russisch. In einem kleinen Land mit
einer eigenen Sprache ist das ja einleuchtend. Ich finde immerhin einige
Deutsch-Lehrbücher, aber kein Wörterbuch Deutsch-Aserbaidschanisch. Doch, eines
von 1993, mit Aserbaidschanisch in kyrillischen Buchstaben, was in der
Sowjetzeit die amtliche Schreibweise war. Und einen Sprachführer nach Gesprächssituationen
geordnet, mit Sätzen wie „Was kostet die Fünftagesmiete für ein Fahrrad?“ In
einem Laden frage ich den Buchhändler, ob es eines gibt: „Kitab Alman
Azerbaycance var?“. Er sitzt in einem tiefen Sessel hinter der Kasse und sieht
sehr müde aus. Sein Handy klingelt, er nickt, redet drei Worte, legt auf. Ich
habe den Eindruck, als wenn er seinem Kollegen mit einer unmerklichen
Kopfbewegung den Auftrag gibt, sich darum zu kümmern, denn der Kollege
verschwindet in einen Nebenraum. Ich gehe demonstrativ am Buchhändler vorbei
und gucke so ein bißchen. Den brauche ich nichts mehr zu fragen, denn er ist
jetzt eingeschlafen. Ich sehe mich noch ein Weilchen in der Buchhandlung um. Nach
einiger Zeit verlasse ich den Laden und den schlummernden Buchhändler.
Auf dem Weg zum Bahnhof mache ich noch Halt bei einer Parkbank und sortiere mein Gepäck um: Alles Wichtige, was auf keinen Fall geklaut werden darf, kommt in einen Stoffbeutel für die Zugfahrt.
20 Minuten vor Abfahrt steige ich in den Zug. An der Tür zum Waggon steht die Schlafwagenschaffnerin, eine kompakte, strenge, sowjetisch aussehende Frau von 50 Jahren, und bellt mich auf Russisch an. Ich antworte „Russki - Njet!“, zeige ihr Ticket und Reisepaß. Germania! Nach genauer Prüfung darf ich in den Waggon einsteigen. Sie wirkt sehr mißtrauisch. Immerhin bin ich ein Ausländer, der mit ihrem Zug fahren will, aber kein Russisch versteht. Ich fühle mich irgendwie verdächtig. Sie führt mich zu meinem Platz, wirft eine Tüte mit Bettwäsche auf meine Pritsche und gibt mit einer gebieterischen Handbewegung den Befehl zum Bettenbauen. Vielleicht wollte sie mir auch nur bedeuten, wofür die Bettwäsche da ist. Sie sagt etwas, das ich nicht verstehe, aber der Tonfall liegt zwischen „Dawai!“ und „Verschwinde!“
20 Minuten vor Abfahrt steige ich in den Zug. An der Tür zum Waggon steht die Schlafwagenschaffnerin, eine kompakte, strenge, sowjetisch aussehende Frau von 50 Jahren, und bellt mich auf Russisch an. Ich antworte „Russki - Njet!“, zeige ihr Ticket und Reisepaß. Germania! Nach genauer Prüfung darf ich in den Waggon einsteigen. Sie wirkt sehr mißtrauisch. Immerhin bin ich ein Ausländer, der mit ihrem Zug fahren will, aber kein Russisch versteht. Ich fühle mich irgendwie verdächtig. Sie führt mich zu meinem Platz, wirft eine Tüte mit Bettwäsche auf meine Pritsche und gibt mit einer gebieterischen Handbewegung den Befehl zum Bettenbauen. Vielleicht wollte sie mir auch nur bedeuten, wofür die Bettwäsche da ist. Sie sagt etwas, das ich nicht verstehe, aber der Tonfall liegt zwischen „Dawai!“ und „Verschwinde!“
Der Schlafwagen aus russischer Produktion wird etwa so alt
sein wie die Schaffnerin, vielleicht ein paar Jährchen mehr. Er hat etwas
Unverwüstliches an sich. In der Ecke beim Schaffnerinnenabteil gibt es einen
Samowar mit Kohlefeuerung und dahinter noch einen kleinen alten Herd, ebenfalls
mit Kohlefeuerung. Ich stelle mir vor, wie der Zug im tiefsten sibirischen
Winter wochenlang im Schnee feststeckt. Dank ausreichender Kohlenvorräte
kann man immer genug Tee aus geschmolzenem Schnee zubereiten und muss dem schlimmsten Schicksal deshalb nicht ins Auge sehen. Kein Vergleich zum
ICE der Deutschen Bahn. Die Schaffnerin trägt Plüschhausschuhe. Nachdem ich
mich im Abteil eingerichtet habe – die zweite Liege ist immer noch unbesetzt –
gehe ich mit der Kamera zur Waggontür, um zu versuchen, ob ich ein Foto vom Zug
machen darf. Strategisch wichtige Objekte wie ein Zug dürfen offiziell nicht
fotografiert werden. Uniformierte sowieso nicht. Die Schaffnerin steht in der
Tür und wehrt ab: Zu spät, denn wir fahren in diesem Moment los. Ein Lächeln verwandelt
die strenge Frau plötzlich in eine
grazile Fee, sie streckt sich in der offenen Waggontür in Pose und scherzt auf
Russisch, vielleicht möchte ich ja stattdessen von ihr ein Foto machen...
Gesagt, getan! Sie lacht laut und schickt mich dann, wieder autoritär, mit
einer raschen Geste „husch“ in mein Abteil.
Laut knarrend bewegt sich der Zug durch die Gleise. Jede
Weiche macht sich durch lautes Krachen bemerkbar. Die Federung ist butterweich, sodaß anstelle des harten
Schlagens der Schienenstöße ein Schaukeln den Waggon schiffsgleich in alle
Richtungen schwingen läßt: Rechts und links, oben und unten, und sogar ein
bißchen vorne und hinten. Aus dem
Fenster sehe ich schlecht beleuchtet die Rückseite von Baku: Baustellen oder
die Hinterhöfe kleinerer Häuser, die noch nicht abgerissen wurden. Frauen nehmen
Wäsche ab, Männer spielen Backgammon, tobende Kinder bringen alles
durcheinander. Die Großbaustellen, wo neue Wolkenkratzer entstehen, sind taghell angestrahlt. Dazwischen Autokolonnen.
Der Zug fährt schneller, als ich gedacht hatte, es müssen etwa 40 km/h sein.
Außerhalb der Stadt wird er langsamer. Für die Strecke von rund 400 Kilometern braucht
der Zug 12 ½ Stunden. Ich fühle mich wohl in diesem
Verkehrsmittel und möchte vorschlagen, ähnlich der „Slow Food“ – Bewegung eine
„Slow Travel“ – Initiative zu starten.
Die zweite Liege im Abteil ist immer noch leer. Die anderen
Abteile sind belegt. Wahrscheinlich habe ich am Bahnhof erst mit Zögern den
Platz bekommen, weil es das letzte noch freie Abteil war.
Mit Ohrenstöpseln vergeht die Nacht einigermaßen erträglich, aber an richtigen Schlaf ist nicht zu denken. Immer, wenn der Zug hält und das schöne Schaukeln aufhört, werde ich wach. Am Morgen sehe ich aus dem Fenster eine weite Ebene, die sich als riesiges Tal zwischen zwei Gebirgszügen des Großen Kaukasus erstreckt. Nur dünn besiedelt, hier und da sieht man ein paar Bauern arbeiten. Frühstück mit dem in Baku gekauften Proviant.
Mit Ohrenstöpseln vergeht die Nacht einigermaßen erträglich, aber an richtigen Schlaf ist nicht zu denken. Immer, wenn der Zug hält und das schöne Schaukeln aufhört, werde ich wach. Am Morgen sehe ich aus dem Fenster eine weite Ebene, die sich als riesiges Tal zwischen zwei Gebirgszügen des Großen Kaukasus erstreckt. Nur dünn besiedelt, hier und da sieht man ein paar Bauern arbeiten. Frühstück mit dem in Baku gekauften Proviant.